
Tansania
Allgemeine Entwicklung
Zur Situation zunächst ein paar Zahlen: Tansania hat 51 Millionen Einwohner, die Geburtenrate ist mit 3,6 Kinder pro 100 Einwohner im Jahr hoch. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 61,5 Jahre. Das Land hat eine junge Gesellschaft, 45 Prozent der Menschen sind unter 15 Jahren alt und nur 3 % sind über 65.


Bei einer Analphabetenquote von 22,1 % (2015) und vergleichsweise wenig Hochschulabsolventen (2004: 4.028 Abschlüsse) ist Bildung ein begrenzender Faktor. Zum Vergleich: In Deutschland machen jährlich fast eine halbe Million Menschen einen Hochschulabschluss. Die Kommunikation entwickelt sich schnell: es gibt zwar nur zwei Festnetz-Telefonanschlüsse je 1.000 Einwohner, aber 700 Mobiltelefonanschlüsse und 130 Internetnutzer je 1.000 Einwohner.
Der Index für menschliche Entwicklung (HDI) ist ein Wohlstandsindikator der Vereinten Nationen. Hier liegt Tansania auf Platz 151 von 188 Staaten (Deutschland: Platz 4). Beim „Korruptionswahrnehmungsindex“, herausgegeben von Transparency International hat sich das Land von Platz 119 auf Platz 103 verbessert. Hier liegt Neuseeland auf Platz 1, Deutschland ist die Nr. 12. Nach wie vor ist Korruption ein erhebliches Entwicklungshindernis in Tansania, weil sich zu viele Menschen auf Kosten der Allgemeinheit bereichern oder Vorteile verschaffen. Sehr positiv dagegen ist das friedliche Zusammenleben der etwa 140 verschiedenen Volksgruppen im Land. Insgesamt zeigen die Zahlen aber, dass Tansania ein sehr armer Staat ist, bei dem Unterstützung von außen in verschiedenen Bereichen noch auf Jahre hinweg dazu beitragen wird müssen, zentrale Lebensbereiche zu verbessern.
Wirtschaft
Das Bruttoinlandsprodukt betrug 2018 pro Einwohner 2.118 US $ (Deutschland: 50.800 US $). Das Wirtschaftswachstum betrug 2018 5,8 %, für das Jahr 2019 wird es auf 6,6 % geschätzt. Die Inflation liegt unter 5 %, die Staatsverschuldung beträgt 39 % des BIP (Deutschland: 68 % im Jahr 2016). Der informelle Sektor ('Fliegende Händler' (Wamachingas), Straßenküchen (Mama Lishe) und anderen Tätigkeiten), der in der offiziellen volkswirtschaftlichen Statistik nicht erfasst werden kann, wird auf die Hälfte des Volkseinkommens geschätzt.
Export nach Deutschland: 120 Millionen Euro; Import aus Deutschland: 166 Millionen Euro. 50 Prozent der Importgüter aus Deutschland sind industrielle Erzeugnisse, die wichtigsten Exportgüter nach Deutschland sind Erze, Lebensmittel (insbes. Kaffee) und Tabak.
Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung leben und arbeiten im ländlichen Raum. Die Landwirtschaft reicht bei normalen Niederschlägen zur Versorgung des Landes aus. Rund 40 % des Bruttoinlandsprodukts werden mit der Landwirtschaft erzielt. Produktionssteigerungen wären möglich, denn bislang werden nur rund 5 % der Landesfläche für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturen genutzt.
Viele Menschen in der Subsahara-Region und auch in Tansania haben keinen Zugang zur Stromversorgung. Insgesamt trifft das auf die Hälfte der Bevölkerung zu, auf dem Lande sogar auf 75 %. Diese fehlende Infrastruktur ist auch ein Teufelskreis für die wirtschaftliche Entwicklung: ohne Strom entwickelt sich keine Industrie, aber ohne starke Wirtschaft mit potentiellen Kunden verlegt niemand Stromkabel.

Erneuerbare Energien könnten das ändern: Die Berliner Firma „Solarkiosk“ installiert kleine Kioske mit Solarpanels auf dem Dach und liefert dem Kleingewerbe in der Nähe Strom gegen Gewinnbeteiligung: Dem Friseur, dem Schneider für seine Nähmaschine und anderen. Wenn diese dann nach einiger Zeit mehr Geld verdienen, können sie auch im Solarkiosk mehr kaufen: energieeffiziente Lampen, Ladegeräte, Kochplatten etc. Noch macht „Solarkiosk“ keinen Gewinn, aber 200 Kioske sind in Tansania, Kenia, Ruanda und Ghana schon aufgestellt. 50 weitere sind an externe Betreiber vor Ort verkauft.
Ein etwas anderes Modell fährt die Firma „Mobisol“ aus Kreuzberg: Für die Tansanische „Mittelschicht“, die sonst 10 bis 20 € im Monat für den Dieselgenerator ausgeben, bietet sie Solarpanels, Batterie und energieeffiziente Geräte im Paket als Mietkauf: nach drei Jahren ist der Preis bezahlt und der Strom quasi umsonst. Ein Vorteil für Volkswirtschaften, die bislang keine Stromversorgung hatten: sie müssen keine veraltete Verläuferttechnik aufwendig anpassen sondern können sofort die aktuell effizientesten und ökologischsten Varianten aufbauen. Das bedeutet heute vor allem eine dezentrale Stromversorgung. Umstiegskosten wie z.B. aus der Braunkohleverstromung wie in Deutschland fallen dort nicht an.

Politische Situation
Im Parlament wird ein Frauenanteil von mindestens 40 Prozent bei Bedarf durch Sondersitze gewährleistet. Im Deutschen Bundestag liegt der Frauenanteil zur Zeit bei 31 %. Regierungspartei ist seit der Unabhängigkeit 1961 die Partei der Revolution (CCM), welche auch die Wahl von 2015 gewonnen hatte. Damals siegte Dr. John Magufuli bei der Präsidentenwahl mit rund 58 Prozent der Stimmen und wurde am 5. November 2015 als fünfter Präsident Tansanias vereidigt. Magufuli hat eine Ausbildung als Chemielehrer und hat später promoviert.
Zu Beginn seiner Amtszeit ging Magufuli Korruption und Verschwendung sehr energisch an. Der neue Präsident verkleinerte das Kabinett um ein Drittel und spart damit jedes Jahr rund fünf Millionen Euro. Er feuerte unfähige Regierungsbeamte und strich Auslandsreisen für Funktionäre. Inzwischen wurden die Gehälter von 16.000 nicht existierenden Regierungsbeamten gestrichen, bislang hatten sich korrupte Kollegen das Geld eingesteckt.
Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Magufuli bei Umfragen Zustimmungswerte von 90%. Die sind inzwischen auf etwa 50% deutlich zurückgegangen. Der Präsident hatte von Beginn an ein gespanntes Verhältnis zu demokratischer Kritik. Kritischen Zeitungen und Internetbloggern macht er das Leben schwer. Auch seine Ideen zur Empfängnisverhütung sind krude: So behauptete er im September 2018, dass Menschen, die verhüteten, zu faul seien eine große Familie zu ernähren. Er empfahl, Verhütungsratgebern nicht zuzuhören, und meinte, dass solche Ratschläge zum Teil von Ausländern mit „bösen Beweggründen“ stammten. Diese Erklärung wurde von Amnesty International scharf kritisiert. Er setzte sich als Premierminister persönlich dafür ein, dass schwangere Schülerinnen nach der Geburt nicht mehr an die Schule zurückkehren dürfen. "Wenn du schwanger wirst, bist du fertig", sagte er auf einer Versammlung im Sommer vergangenen Jahres. Keine schwangere Schülerin dürfe an ihre Schule zurückkehren, so lange er Staatschef sei. Die Weltbank strich deshalb einen Kredit von 300 Millionen US-Dollar an Tanzania , der zum Ausbau von Schulen vorgesehen war.
Magufulis Regierungsstil wurde über die Jahre zunehmend reaktionär. 2018 brachte die Regierung Dutzende von Journalisten und Oppositionspolitikern hinter Gitter. Einige verschwanden spurlos, so schon 2017 der Reporter der Zeitung „Mwananchi“, Azory Gwanda. Er hatte über eine Reihe politischer Morde recherchiert.
Dänemark strich Hilfsgelder in Höhe von knapp 10 Millionen US-Dollar, die Skandinavier störten sich an homophoben Äußerungen eines hochrangigen Beamten. Der Regionalkommissar von Daressalaam hatte geplant, einen Überwachungstrupp einzusetzen, der Homosexuelle aufspüren und der Polizei übergeben solle. Homosexualität ist in Tansania, wie in den meisten anderen afrikanischen Ländern, verboten.
Schließlich hat der Rausschmiss des EU-Botschafters aus Tansania zu einem offenen Zerwürfnis zwischen den Gebernationen und deren einstigem Lieblingsland geführt: Nach wiederholter Kritik an Magufulis Regierungsstil musste der Niederländer Roeland van de Geer die Hauptstadt Daressalam verlassen. Die EU unterzieht ihre Politik gegenüber Tansania derzeit „einer umfassenden Überprüfung“. Auch die deutsch-tansanischen Regierungsverhandlungen sind ins Stocken geraten, was die Fortschritte bei der Entwicklung eines Versicherungssytems für Schwangere und deren Kinder (siehe 3.3 unten) gefährde.
So sucht der einstige Hoffnungsträger nun neue Verbündete. "Die Chinesen sind wahre Freunde", sagte Präsident Magufuli anlässlich der Eröffnung einer von Peking gestifteten neuen Bibliothek an der Universität Daressalam. "Sie bieten Hilfe an, ohne Bedingungen zu stellen."
Der Oppositionspolitiker Tindu Lissu von der Cahdema-Partei wurde 2017 bei einem Anschlag schwer verletzt und erholt sich noch immer in Belgien. Auf BBC erklärte er kürzlich, die veralteten Gesetze zur Homosexualität würde er als Präsident abschaffen. Wenn seine persönliche Sicherheit durch die Regierung in Tansania garantiert würde, möchte er nach Abschluss seiner medizinischen Behandlung nach Tansania zurückkehren und als Präsidentschaftskandidat bei der nächsten Wahl antreten.
Das Gesundheitswesen in Tansania
Denkt man als Europäer an Gesundheitsversorgung halten wir ein Versorgungssystem für selbstverständlich, welches im Krankheitsfall für alle Bürger weitestgehend kostenfrei zugänglich ist und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft seine Leistungen vorhält. Dass eine Versorgung auf diesem Niveau weltweit aber bei weniger als 10% der Menschen der Fall ist, ist uns nicht bewusst.
Die im Folgenden dargestellte Tabelle vergleicht gesundheitsbezogene Eckdaten in Deutschland und Tansania. Diese Daten sind für Afrika südlich der Sahara durchaus beispielhaft und dort traurige Realität. Wir in Europa stellen eine privilegierte Ausnahme dar.
Dennoch hat sich im Gesundheitswesen Tansanias in den vergangenen Jahren einiges getan. Während das Land in den Jahren 1960 bis 2000 vom medizinischen Fortschritt weitgehend abgekoppelt war und auch heute für die breite Masse in den meisten Bereichen allenfalls eine medizinische Versorgung auf dem mitteleuropäischen Stand der frühen 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erfolgt hat sich in den letzten 15 Jahren durchaus Positives entwickelt.
-
Verbesserte Verfügbarkeit mit Impfstoffen
-
Versorgung mit antiretroviralen (AIDS-) Medikamenten
-
Bessere Bezahlung des Fachpersonals
-
Einführung eines Blutspendewesens
-
Verfügbarkeit technischer Diagnostik wie Ultraschallmöglichkeiten
-
Einführung von Einmalprodukten wie Spritzen, Nadeln, Handschuhe
-
Entwicklung eines Krankenversicherungssystem zunächst für Staatsbedienstete, freiwillig Versicherte und zunehmend, wenn auch rudimentär, auch für einfache Bürger
-
Zugang zu medizinischen Dienstleistungen wurde verbessert
-
Stärkung des Bereichs präventiver Medizin

Bei einem Bevölkerungswachstum von 3% waren diese Verbesserungen jedoch nicht allein aus eigener Kraft zu schaffen sondern sind ebenso durch die Bemühungen internationaler & supranationaler Organisationen wie Global Fund/ Clinton & Gates Foundation erreicht worden. Diese stellten im Rahmen der Bekämpfung von AIDS/ TBC und Malaria substantiell Finanzmittel bereit und schufen verbesserte Organisationsstrukturen schufen. Auch Deutschland hat hinsichtlich der medizinischen Versorgung der benachteiligten tansanischen Land-Bevölkerung, Erhebliches geleistet.
Trotz der beschriebenen Fortschritte ist der Gesundheitssektor in Tansania immer noch stark unterfinanziert. Zwar ist beispielweise die Krankenversorgung für Schwangere und Kinder unter 5 Jahren offiziell kostenlos, doch die staatlichen Zuweisungen für die Krankenhäuser waren in den vergangenen Jahren so niedrig, dass die Medizinschränke in der Klinikapotheke oft leer blieben und sich die Patienten die für die Geburt notwendigen Baumwollkompressen, saubere Tücher und Einweghandschuhe selber kaufen mussten. Besonders kritisch war und ist die Situation, wenn Komplikationen auftreten und Frauen, etwa für einen Kaiserschnitt, ins Krankenhaus überwiesen werden. Dann steigen die Kosten gewaltig an. Dies ist für die meisten Frauen, deren Familien von weniger als 2 US-Dollar pro Tag leben müssen, meist unbezahlbar bzw. mit erheblichen Schulden verbunden. Die Folge: Kinder werden oft zu Hause geboren, in Hütten ohne Wasser und Strom unter hygienisch überaus bedenklichen Umständen. Eine enorme Gefahr für Mütter und Babys.
„Tumaini la Mama“ - Ein Programm, das Hoffnung bringt.
Um das zu verhindern, hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ein Projekt entwickelt, „Tumaini la Mama“ – „Hoffnung für Mütter“, heißt es. Arme Schwangere und deren Neugeborenen erhalten durch das Projekt Zugang zu medizinischer Versorgung. Während Schwangerschaft und Geburt sowie darüber hinaus bis hin zum ersten Geburtstag. In dieser Versorgungsphase bekommen Krankenhäuser und Gesundheitszentren alle Leistungen von der nationalen Krankenversicherung NHIF erstattet und können damit kostendeckend arbeiten und mit Überschüssen die Qualität ihrer medizinischen Angebote ausbauen.